Die Zukunft der Fotografie

wie Künstliche Intelligenz die Fotografie verändert.

Während es heute einerseits den Trend zur Rückkehr zur analogen Fotografie gibt, lässt sich gleichzeitig eine diesem Trend entgegengesetzte Entwicklung ausmachen. Denn während die einen in den langsameren, analogen oder chemischen Prozessen eine Bedeutsamkeit entdecken, entwickelt sich ein Teil der Industrie in eine völlig neue Richtung. Gemeint sind nicht unbedingt die traditionellen Kamerahersteller, die (vielleicht mit der Ausnahme von Sony, die in den letzten Jahren mit der Alpha-Line die Digitalisierung der Fotografie vorangetrieben haben) nicht gerade dafür bekannt sind, besonders innovativ zu sein. Ich meine vielmehr die Smartphone-Hersteller, die allein aufgrund der technischen Unterlegenheit der Geräte innovativ werden mussten. Der bahnbrechende Erfolg, den sie damit haben, gibt ihnen natürlich Recht. Der Schlüssel, der bei dieser Entwicklung eine maßgebliche Rolle spielt, ist Künstliche Intelligenz. Mir geht es nicht darum zu sagen, dass die Qualität der Bilder (ohnehin ein weiter Begriff) von Smartphones besser ist oder vergleichbar mit denen von größeren Kameras wäre. Es geht mir vielmehr darum zu sehen, welche Möglichkeiten hier aus einer schlechteren Position heraus geschaffen wurden. Denn im Grunde sind die Sensoren, die in Smartphones verbaut sind, im Vergleich zu denen, die in gängigen Digitalkameras verbaut sind, winzig. Und auch die Objektive, die vor den Sensoren zum Einsatz kommen, kommen mit einem Bruchteil an verbautem Glas aus. Wie ist es also möglich, dass die Ergebnisse von Smartphone-Kameras auch nur ansatzweise mit denen mithalten können, die von großen und vermeintlich physikalisch überlegenen Kameras stammen?

Künstliche Intelligenz und Machine-Learning-Algorithmen machen den Unterschied

Die Antwort lautet: Künstliche Intelligenz beziehungsweise Machine Learning. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Bereichen, in denen es möglich ist, mit Hilfe von intelligenten Algorithmen Verbesserungen zu erzielen, die nichts geringeres als beeindruckend sind. In den folgenden Bereichen gibt es bereits Lösungen, die in der Praxis eingesetzt werden:

  1. Freistellung von Hintergrund: Simulation von Bokeh

  2. ISO-Performance: Unterdrücken von Bildrauschen

  3. Automatische Bildverbesserung: Erkennen des Bildmotivs

  4. Simulation von Beleuchtung

  5. Automatische, intelligente Bildbearbeitung bzw. Bildverbesserung

  6. Simulation des Slo-Motion-Effekts

Insbesondere letzteres ist deswegen beeindruckend, weil es sich dabei um einen Bereich handelt, der - wenn er herkömmlich gelöst wird - enorm aufwändig ist, weil er viel Rechenleistung erfordert. Sprich: Kameras, die dazu in der Lage sind, solche Aufnahmen zu erzeugen, müssen mit sehr teuren, leistungsfähigen Chips ausgestattet werden. In der Praxis sieht das dann so aus:

Zugegeben: Manchen der hier genannten Funktionen beziehungsweise Anwendungen erzielen weniger beeindruckende Ergebnisse. Insbesondere der Nutzen des automatischen Erkennens eines Bildmotivs erschließt sich mir nur teilweise. Denn die Anpassungen, die unterschiedliche Bildmotive zur Folge hätten (wie eine kürzere oder längere Verschlusszeit beziehungsweise Veränderung der Blendenöffnung) gibt es in dieser Form bei Smartphones nicht. Sowohl einen Verschluss als auch verschiedene Blendenöffnungen bzw. Blenden-Lamellen gibt es dort nicht. Die Auswirkungen, die Veränderungen in diesem Bereich haben, sind also entweder nicht existent oder werden ohnehin simuliert. 

Die Kamera-Industrie als konservative Branche

Was bedeutet all das für die Hersteller von Kameras? Denn in diesem Zusammenhang ist es durchaus erstaunlich, wie konservativ die Kamerabranche doch ist und wie wenig sie aus der vergangenen Zeit gelernt hat. Dass es überhaupt möglich war, dass weltumspannende Konzerne wie Kodak einfach in wenigen Jahren mehr oder weniger verschwanden, sollte eigentlich eine Lehre für alle Unternehmen in diesem Bereich gewesen sein. Umso erstaunlicher ist es, wie hartnäckig sich Hersteller gegen bestimmte Innovationen sperren beziehungsweise wie zögerlich sich diese durchsetzen. Wer die Geschichte nicht kennt, empfehle ich dieses Video: 

 

Eines der interessantesten Beispiele ist in diesem Fall Canon. Denn der Kamerahersteller zeichnete sich seit den 1980ern gerade durch seine Innovationskraft aus. Sei vielen Jahren aber unterscheiden sich die aufeinander folgenden Geräte-Generationen nur noch im Detail - was nicht heißt, dass es sich um "schlechte" Kameras handelt. Ganz im Gegenteil: Noch nie in der Geschichte der Fotografie war die Aufnahmetechnik so ausgereift und fähig wie heute. Aber die Diskrepanz wird dann deutlich, wenn eben vergleichbare Industrien herangezogen werden wie die hier eingangs kurz charakterisierte Smartphone-Industrie. Dann wird deutlich, wie wenig der neuen und aktuell zur Verfügung stehenden Technologien tatsächlich Eingang in die Technik von etablierten Herstellern einfließen. Allein, dass das Interface zur Bedienung von Kameras nicht ähnlich einfach und intuitiv gestaltet wird wie das von Smartphones ist nicht verständlich. Zumal bei Herstellern wie Sony, die sowohl Kameras als auch Smartphones herstellen. Vielleicht sieht die Zukunft aber auch so aus und wir werden alle unseren persönlichen Kamera-Assistenten haben, der uns die wichtigsten Entscheidungen abnimmt:

Ebenfalls interessant ist der tatsächliche 1:1 Vergleich zwischen iPhone und Sony A7III, der ziemlich genau zeigt, wie viel an rein physikalischer Benachteiligung inzwischen durch Rechenpower & Algorithmen ausgeglichen werden kann:

Die seit vielen Jahren sinkenden Absatzzahlen in diesem Bereich sind unter anderem das Resultat der fehlenden Innovationskraft von traditionellen Kameraproduzenten und gleichzeitig der beeindruckenden Innovationsfähigkeit von Smartphone-Herstellern. Vielleicht sind wir aber gerade auch an einem Punkt in der Geschichte der Fotografie angekommen, an dem die Technik so gut geworden ist, dass es eigentlich keine Rolle mehr spielt, ob noch eine Funktion mehr vorhanden ist, die Auflösung von Sensoren noch höher ist, noch mehr Bilder pro Sekunde aufgenommen werden können, u. s. w. Vielleicht ist gerade die technische Perfektion der Auslöser dafür, dass Menschen sich wieder den analogen, fehleranfälligen Prozessen zuwenden. Und vielleicht ist gerade das die Zeit sich von der Diskussion über die Weiterentwicklung der Technik abzuwenden und der Gestaltung von von Licht und der Komposition von Bildern zuzuwenden.