Photography

Die Inflation der Fotografie.

Kommentar zu Wim Wenders Suche nach einem neuen Wort.

 

In dem kurzen Beitrag, den Wim Wender mit der BBC produziert hat, stellt er fest, dass zwar einerseits so viel Fotos wie noch nie gemacht werden, diese aber so selten wie noch nie angeschaut wurden. Niemand geht durch die tausenden Bilder im  Speicher oder in der Cloud, niemand scrollt durch die Petabytes an Bildern der Bilderdienste oder der sozialen Netzwerke wie Instagram und kaum jemand hat noch Interesse an gedruckten Bildern, so lange die Bilddaten sicher auf Speicherkarten, externen Laufwerken und der Cloud gespeichert sind. Allein beim Durchscrollen des täglichen Feeds wird jedem Bild nur der Bruchteil einer Sekunde gewidmet. Schon beim Versuch, unseren aktuellen Umgang mit Bildern neutral zu beschreiben, ist es schwer, nicht kulturpessimistisch zu klingen. Dabei spielt es meiner Meinung nach gar keine große Rolle, ob die Unmengen an Fotos mit iPhones bzw. Smartphones, denen Wenders die Schuld in die Schuhe zu schieben scheint, oder anderen (digitalen oder analogen) Apparaten gemacht werden. Allein durch die Masse an Fotos wird das einzelne Bild entwertet - und zwar sowohl beim persönlichen Umgang damit als auch beim kulturellen bzw. gesellschaftlichen.

Inflationäre Fotografie 

Nun sucht Wenders ein neues Wort für die neu entstandene Form von Fotografie, die seiner Ansicht nach nicht mehr als Fotografie bezeichnet werden könne. Dabei glaube ich nicht, dass wir in ein Zeitalter der Anti-Fotografie geraten sind, oder gar unsere neuen Verhaltensweisen nicht mehr als Fotografie bezeichnet werden dürfte. Das Phänomen, das wir gerade beobachten, ist vielmehr überhaupt nicht unbekannt und findet eine Entsprechung in der Ökonomie. Geld wird ebenfalls weniger Wert, wenn es zu viel davon gibt. Dieser Vorgang nennt sich Inflation. Insofern erleben wir gerade die "Inflation der Fotografie". Zwar zirkulieren immer mehr Bilder, jedes einzelne davon hat aber weniger Wert als ihm vielleicht in einer anderen Zeit zugekommen wäre. Das mag man traurig finden, aber die Lösung scheint mir nicht zu sein, einen neuen Begriff für die weniger wertvollen oder nutzlos entstandenen Bilder zu finden, als vielmehr darin, persönliche Strategien zu finden, um dieser Entwertung entgegenzutreten. Das kann funktionieren, indem man bei Konzerten seinen Blick nicht auf den eigenen Bildschirm, sondern die Bühne richtet, oder indem man sich einfach mal wieder ein Bild an die Wand hängt und längere Zeit betrachtet.

Alles ist politisch: Der World Press Photo Award 2017

Ich wuchs in einer Zeit auf, in der es möglich war, tatsächlich eine Haltung des Unpolitischen einzunehmen. Heute geht das nicht mehr. Schon in den 1970er Jahren machte im Rahmen der Sponti-Bewegung die Parole "Das Private ist politisch." die Runde. In den 80ern und 90ern, der Zeit meiner Jugend, war davon nicht mehr viel zu spüren. Heute ist in allen Ecken des Lebens eine Re-Politisierung zu verzeichnen, die für mich daher umso bemerkenswerter ist. Ich war noch nie in meinem Leben auf einer Demonstration und heute überlege ich sogar, ob ich in eine Partei eintreten soll.

Neu ist das alles selbstverständlich nicht. Auch die Kunst war wahrscheinlich nie völlig befreit von politischen Konnotationen. Selbst die meisten Künstler der Romantik, die die Autonomie der Kunst forderten, waren politisch aktiv und ihre Werke lassen sich als Teil ihrer politischen Aktivität verstehen. Auch die Fotografie hat eine sehr enge Verknüpfung zur Politik. Fotos bezeugen politische Ereignisse, zeigen Kriege, beweisen Vergehen und berichten von Heldentaten.

Der Rundumschlag gegen alle

Die neue US-Regierung mit ihren grobschlächtigen Aktionen sorgen auf der ganzen Welt und auch bei mir persönlich für großen Unmut. Eines der jüngsten Opfer der fremdenfeindlichen, rassistischen Politik: Der World Press Photo Award. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um einen reinen Zufall, dass es gerade eine Organisation trifft, die für die freie und unabhängige Arbeit von Fotojournalisten steht. Ironie des Schicksals also, dass es in diesem Fall die von Trump gehassten Medien und Journalisten trifft. Die Fotografin Eman Mohammed (Hier ihre Homepage) wurde in diesem Jahr zum Jury-Mitglied des World Press Photo Award 2017 gewählt und sollte nach Amsterdam reisen, um dort ihrer Aufgabe nachzukommen. Da sie Palästinenserin ist, trifft sie eine der neuen Bestimmungen der Trump-Regierung. Eine Ausreise aus den USA ist ihr nicht erlaubt.

Hier ist ein Vortrag von Eman Mohammed, den sie 2014 im Rahmen einer TED-Konferenz hielt - vom „Mut eine verborgene Geschichte zu erzählen“: